Die Geschichte des Mausefallenmuseums

Der karge Boden in den Höhenlagen der Vulkaneifel bot seinen Bewohnern immer nur ein bescheidenes Dasein. Brände, die Teile des Dorfes vernichteten und Missernten verschlimmerten oft die Lage. Im 19. Jahrhundert wurde es besonders kritisch. Die Einwohnerzahl war 1782 bis 1843 von 260 auf 527 angestiegen. Viele Menschen sahen in der Auswanderung nach Amerika ihre Rettung. Der 1802 in Neroth geborenen Theodor Kläs brachte Hilfe aus der Not. Nach der Schulchronik besuchte Kläs erfolgreich die Elementarschule und bildete sich anschließend bei seinem früheren Lehrer Michels weiter, dass ihm eine Elementarschulstelle als Lehrer im Kreis Daun übertragen wurde. Er aber hatte andere Pläne und begab sich auf Reisen. Dabei lernte er auf seinen Reisen durch Bayern, Württemberg, Böhmen, Ungarn, Savoyen und die Schweiz die Herstellung von Drahtwaren. Etwa in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts kehrte Kläs nach Neroth zurück. Zunächst unterwies er seine Verwandten in der Kunst des Drahtflechtens, später, mit Unterstützung durch Lehrer Michels, weitere Bewohner des Ortes. Was zunächst als Nebenerwerb begann, entwickelte sich bald zu einem Hauptgewerbe, das sich rasch in der Region ausbreitete, zur Verbesserung der Existenz beitrug und die Auswanderung einschränkte. Der letzte Nerother Betrieb von Josef Pfeil schloss 1979. Seine Werkstatt bildet den Kern des „Mausefallenmuseums“.

Wie das Museum entstand

In den Notzeiten des vorigen Jahrhunderts hat der ärmere Teil der Bevölkerung zur Selbsthilfe gegriffen und in Heimarbeit Mausefallen hergestellt. Sie wurden im Hausierhandel in bare Münze umgesetzt, wodurch viele Familien vor dem Ärgsten bewahrt wurden. Um die Erinnerung an diese für Neroth so bedeutsamen Entwicklungsjahre und an den nun ausgestorbenen Handwerkszweig wach zu halten, hatte sich der Heimatverein Neroth das Ziel gesetzt, die einzige noch im Original bestehende Werkstatt mit den selbstentwickelten Maschinen und Arbeitsgeräten der Nachwelt zu erhalten und zu einem Mausefallenmuseum umzugestalten.

Den Anstoß dazu gab 1980 eine Filmdokumentation des Amtes für rheinische Landeskunde in Bonn über „Die Mausefallenmacher“. Es folgten umfangreiche Recherchen des Heimatvereins. Sie mündeten in eine Dokumentation ein, die im Jahre 1984 dem Direktor des Landesmuseum Trier vorgelegt wurde, um die Möglichkeiten zur Verwirklichung eines Museums in Neroth zu klären.

Zufälligerweise entstand zeitgleich und unabhängig davon die Magisterarbeit von Hildegard Ginzler über „Das Drahtwarengewerbe in Neroth/Eifel“ an der Universität Mainz, veröffentlicht als Band 1 der Studien zur Volkskunde in Rheinland-Pfalz mit dem Titel „Die Musfallskrämer aus der Eifel“, Mainz 1986. Das gemeinsame Interesse führte nun zu einem regen Gedankenaustausch, wodurch das Museumsprojekt auch eine wissenschaftliche Grundlage erhielt.

„Allerdings war es nicht möglich, das Werkstattgefüge im angestammten Hause als Museum zu erhalten. Es musste eine Verlagerung erwogen werden. Glücklicherweise ergab es sich, dass die alte Schule von 1844 gegenüber der Kirche im Dorfmittelpunkt unter Denkmalschutz gestellt und sogar restauriert wurde. Bürgermeister Ferdinand setzte sich dafür ein, dem Heimatverein für die Erhaltung des historischen Kulturgutes „Mausefallenwerkstatt“ einen zurzeit unbenutzten Klassenraum bereit zu stellen. Ein historisches Dorfmuseum in einer denkmalgeschützen Schule erschien als ideale Integration von ortsgeschichtlichem Kulturgut.

 

Eine weitere Hürde war der Erwerb der Maschinen und Geräte. Die unzureichenden finanziellen Mittel des Heimatvereins ließen kein realistisches Angebot zu. Doch zeigte sich Ende 1987 der Eigentümer Willi Schmitz dem Heimatverein gegenüber sehr aufgeschlossen. Auch ihm lag daran, dass dieser für die Entwicklung Neroths bedeutsame Gewerbezweig für die kommenden Generationen anschaulich in Erinnerung gehalten werde. Er übereignete schließlich die beweglichen Objekte kostenlos dem Heimatverein für das Museum. An dieses Vermächtnis hielten sich die Erben, als Willi Schmitz bald drauf verstarb. Sie waren sogar so entgegenkommend, dass sie dem Heimatverein die festen Maschinen und die Transmission als Dauerleihgabe überließen.“ (aus Hildegard Ginzler u.a.: Neroth und die Mausefallenmacher, Kreisheimatjahrbuch)

Damit waren die Voraussetzungen zur Errichtung des Museums erfüllt. Geplant war, dass die verschiedenen Produktionsphasen des Drahtwarengewerbes in Neroth über den Zeitraum von ca. 1830 bis in die 1970er Jahre abdecken werden sollten. Die Uraufführung des inzwischen fertiggestellten Films „Die Mausefallenmacher“ am 6. Januar 1989 war zugleich der Auftakt zum Ausbau des Museums, das am 21. Oktober 1990 eröffnet werden konnte. Auf engstem Raum präsentierte das Museum zunächst eine Heimarbeiterstube und die Pfeil´sche Werkstatt sowie Produkte aus dem gesamten Zeitraum der Gewerbeentwicklung von den 1830er bis in die 1970er Jahre.

Nachdem die Räume links vom Museumseingang frei wurden, konnte das Museum im Jahr 2002 um vier weitere Räume erweitert werden: einen Kassen- und Informationsraum, ein Raum ist dem Vertrieb der Drahtwaren gewidmet, ein weiterer beherbergt eine Sammlung von Fallen aus aller Welt und schließlich ein Büro.

Ein Rundgang durch das Mausefallenmuseum

Im Kassen- und Informationsraum befindet sich der Verkauf von Eintrittskarten und von den Drahtwaren, die heute noch in Neroth produziert werden. Für kleinere Gruppen besteht hier die Möglichkeit sich den Film anzusehen.

Ein kleiner Raum im ursprünglichen Museumsbereich zeigt dem Besucher das Milieu der Heimarbeit der frühen Jahre. Die Stube, die außer altem Mobiliar und Requisiten aus dem Alltagsleben, die Hilfsmittel für die Mausefallenherstellung zeigt, soll die Verschmelzung von Wohn- und Arbeitsbereich sichtbar werden lassen. Wohnstube oder Küche ließen sich schnell in einen Arbeitsraum verwandeln. Ein beliebiger Tisch in der Nähe des Fensters ersetzte die Werkbank. Zur Grundausstattung gehörten einfaches Werkzeug wie Flach-, Rund- und Kneifzange, Hammer, Bohrer. Im Laufe der Zeit wurden Hilfsvorrichtungen zum Ablängen oder biegen von Draht entwickelt. Als Arbeitsmaterial benötigten die Drahtflechter nur Holzbretter und Biegedraht. Den Draht wickelten sie von einer selbstgebauten Haspel ab. Um Hohlkörper zu formen, verwendete man halbkugelige Klötze aus Holz oder Eisen, die auf einem dreibeinigen Arbeitsblock befestigt waren. Zum Wochenende verstaute man Tisch und Arbeitsgeräte im Schuppen; dann war der Wohnraum wieder die „gute Stube“. Von den Familienangehörigen mussten alle „am Draht schaffen“. Selbst die Schulkinder hatten ihr Pensum zu erledigen.

Die Heimarbeiterstube beherbergt eine Sammlung von in Neroth hergestellten Drahtwaren. Der Schwerpunkt lag zuerst in der Herstellung von Mause- und Rattenfallen. Davon gibt es zahlreiche Modelle zu sehen. Später wurde das Sortiment auf den landwirtschaftlichen Bereich und auf Haushaltswaren erweitert. Schaumschläger, Kleiderbügel, Blumenkörbe, Kuchenplatten, die zu Obstkörbchen verwandelt werden konnten und viele andere Artikel. Ein besonderes Prunkexemplar der Drahtflechtkunst ist eine Drahtschale aus dem Jahr 1897, deren Wandung der umlaufende Schriftzug ziert „Gelobt sei Jesus Christus“. Dieser Gegenstand wurde dreimal auf der Leipziger Messe prämiert.

Hinter der Heimarbeiterstube befindet sich die alte Pfeil´sche Werkstatt, wie sie seit 1885 Bestand hatte. Hier befindet sich der Besucher inmitten des historischen Arbeitsbereiches mit zahlreichen Maschinen, Werkbänken und Arbeitsgeräten. Sie spiegeln in originalgetreuem Aufbau die realen Arbeitsverhältnisse der Vergangenheit wieder. Davon zeugt noch die Werkbank, die bereits aus der ersten Werkstatt von 1885 in der Pfeil´schen Mühle stammt. Bandsäge, Bohrmaschine und Fräse werden auf das Jahr 1895 datiert, der Dicktenhobel auf 1908, der 10-PS-Motor auf 1924. Im Jahre 1928 zog Josef Pfeil mit seiner Werkstatt in das Anwesen der Gaststätte „In der Klapp“ um. Mit einer großen Transmissionswelle konnten mit einer einzigen Antriebsmaschine vier Geräte in Gang gesetzt werden. Nach eigenen Ideen entstand auf diese Weise ein ausgefallener Maschinenpark. Dieser zeichnete sich dadurch aus, dass gängige Maschinen durch selbsterfundene Zusatzgeräte für den speziellen Bedarf der Mausefallenmacher nachgerüstet wurden. Sie ermöglichten z. B. Mehrfachnutzungen in einem Arbeitsgang, etwa Zweifach-Bohrungen und Sechsfach-Schnitte.

Die Werkstatt ist ausgefüllt mit zahlreichen selbsterfundenen Biegewerkzeugen. Sie waren mit den Werktischen fest verbunden oder hingen griffbereit an den Wänden. Hinzu kommen Maßbretter verschiedener Art, an denen die Drahtstücke abgelängt wurden. Auch das Mobiliar ist meist selbst gebaut; Stuhl und Hocker sind Eigenkonstruktionen.

Nach der Erweiterung des Museums wurde ein Raum dem Vertrieb der Drahtwaren und den Hausierern gewidmet. Eine Landkarte zeigt, wo Theodor Kläs das Handwerk erlernt hat und wo im deutschsprachigen Raum die Nerother ihre Erzeugnisse absetzten. Eine lebensgroße Figur macht deutlich, dass der Hausierer( auch Mausfallskrämer genannt) zu seiner Zeit gut gekleidet war, um bei seinen Kunden einen guten Eindruck zu erwecken. Unterwegs bezogen sie ein Standquartier, wohin sie sich „Nachschub“ schicken ließen. Gelegentlich nutzten sie die Abendstunden, um durch Flechtarbeit den Verkaufsvorrat zu vermehren. Fotos aus dieser Zeit belegen das Wandergewerbe.

Oft gingen sie zu zweit und unterhielten sich dann untereinander auf „Jenisch“, einer Art Geheimsprache, die Fremde nicht verstanden. Jenisch wurde damals auch im Dorf gesprochen, heute kennen diesen Dialekt nur noch die Alten.

Eine Sammlung von Fallen aus aller Welt ergänzt die Darstellung der Drahtwarenherstellung in Neroth. Diese Fallen wurden dem Museum von Sammlern geschenkt; sie zeigen den Übergang von Holzfallen zu den Fallen aus Draht, Kunststoff, Pappe und anderen Materialien.